Zeitreise

Hin und wieder begebe ich mich auf Zeitreise. Unmöglich? Nein. Denn der Tagesausflug zum Rheinischen Freilichtmuseum im Voreifeldorf Kommern ist für mich immer eine Art Zeitreise. In diesem Museum habe ich einige Lieblingsplätze. Das Eifeldorf, das ich als Schüler der 3. Klasse bereits besuchen durfte, ist immer noch mein Lieblingsdorf in diesem wunderbar angelegten Museum.

Seit einigen Jahren arbeitet man in Kommern an dem Projekt "Marktplatz Rheinland" und lässt ein 50er/60er/70er-Jahre-Dorf entstehen. Und hier habe ich wirklich eine Zeitreise unternommen.  Der 50er-Jahre-Bungalow und das 60er-Jahre-Fertighaus ist auch von innen begehbar. Ich trat ein und fand mich in meiner Kindheit wieder. 

Schon der Ford 17 M in der Kellergarage weckte Erinnerungen. Unser Küster und Musiklehrer fuhr so einen. Auch der Fotograf, der meine Kommunionbilder fertigte, hatte einen solchen. Das klassische Mittelstandsauto: der 17 M, der neben dem Opel Rekord zu den beliebtesten Mittelschichtautos gehörte. 

In den Häusern holt mich die Kindheit dann vollends ein. In einem typischen Wohnzimmer dieser Zeit steht natürlich auch ein Bücherschrank des bundesdeutschen Bildungsbürgers. Und die Bücher, die darin stehen, kommen mir merkwürdig bekannt vor. Schnell erkenne ich 20, 30 Bücher, die auch bei meinen Eltern im Bücherschrank standen. Dem Bertelsmann Buchclub sei Dank. Hier Gwen Bristow, dort Pearl S. Buck und natürlich Mika Waltaris "Sinuhe der Ägypter".


In der Küche liegt ein Kochbuch. Nein, das Kochbuch, das auch meine Mutter besaß und nutzte. Da war doch irgendwo ein Bild einer sehr appetitlichen Buttercremetorte, erinnere ich mich. Nach kurzem Blättern staunt meine Begleitung. Tatsächlich, ich habe mich richtig erinnert. Da ist besagte Buttercremetorte. Was man sich doch alles merken kann...

Im 50er Jahre Bungalow sieht das Wohnzimmer aus wie bei bei meiner Patentante. Und der Blumenschmuck ist authentisch: Sanseverie, Graslilie, Anthurie, Gummibaum und die unvermeidliche  Clivie. In den eigentlich fremden, 1:1 wieder aufgebauten und authentisch möblierten Häusern ist mir alles seltsam vertraut. 

In der Küche finde ich Utensilien, die ich kenne, die ich teilweise selbst noch benutze. Beispielsweise der Dosenöffner aus Mutters Küchenschublade. Jedes Zimmer gewährt mir einen Blick zurück. Die Verantwortlichen in Kommern haben es wahrlich geschafft, die Wohnatmosphäre der damaligen Zeit lebendig zu erhalten. 

Mich hat die Zeitreise sehr bewegt. Fast war es schon etwas zu viel Begegnung mit dem Früher. Alles wieder sichtbar, greifbar und vorhanden. Dinge, die irgendwo tief in der Erinnerung schlummerten, sind plötzlich wieder da. Die Waschbetonplatten auf der Terrasse, der Wohnzimmerschrank, der Zeitungsständer, die Kücheneinrichtung, die farbigen Kacheln im Badezimmer, die Gardinen und Übergardinen, die Zimmerblumen, die Tischdecken und der Radioapparat. Solche Zeitreisen lasse ich mir gefallen. Gott sei Dank liegt Kommern nicht allzu weit entfernt.