Relikte

Ein Kreuz, ein Briefkasten, ein Blitzableiter, ein Telefonanschluss. Fundstück an einer Mauer eines Hofes in einem kleinen, sehr ländlichen Dörfchen im Kreis Heinsberg, meiner Heimat. 

Viele Menschen mögen hier achtlos vorbeigehen oder -radeln. Für mich ein Ort, der meine Gedanken angeregt hat. Weil ich spürte: hier begegnest du in Zeiten, in denen so oft das Wort "Transformation" in den Mund genommen wird, den Dingen, die Relikte einer anderen Zeit zu werden drohen.

Beim Briefkasten könnte man es verschmerzen. Oder doch nicht? Wieviel Mühe hat sich in früheren Zeiten ein Briefschreiber gegeben? Sehr viel Wert auf korrekte Rechtschreibung wie auf feine Handschrift gelegt. 

Heutzutage  erreichen mich Nachrichten wie: "Gt gmacht thumbsup lg mrc", was heißen soll "Das hast du gut gemacht. Daumen hoch. Liebe Grüße Marc!" Was früher ein Grund gewesen wäre, den Kontakt mit diesem Schreiber abzubrechen, ist heute selbstverständlich. Oder wie jemand anmerkte, der einen Satz geschrieben hatte, bei dem nun kein einziges Wort fehlerfrei war: "Aber du weißt doch, was ich gemeint habe."

Wer so mit Sprache umgeht, der braucht auch keine Briefkästen mehr... 

Dass das Festnetztelefon in smarten Zeiten ein Auslaufmodell zu werden droht, das mag angesichts des "Könnens" der smarten Geräte durchaus einleuchten. 

 Weitaus komplexer ist das Thema des Kreuzes. Hier an der Hofmauer ein Relikt aus Zeiten einer durchgehenden Grundfrömmigkeit.  Der fromme Mensch stellte damals seine Glaubensfestigkeit nicht nur beim regelmäßigen Kirchgang (was sich bei vielen nicht nur auf den Sonntag beschränkte) unter Beweis, sondern mit der Anwendung christlicher Grundsätze und einem durchaus vorhandenen "Gottvertrauen". 

Auch wenn damals im Stillen und Geheimen hin und wieder christliche Grundsätze schnell vergessen waren, wenn es um pekuniäre oder sexuelle Bereicherung ging.

Heute knabbern wir daran, dass die Amtskirche viele christliche Grundsätze selbst mit Füßen getreten hat und weiterhin tritt. Das Gottvertrauen wird durch mangelndes Vertrauen in die Vertreter Gottes auf Erden auf eine harte Probe gestellt. Insofern ist dieses morsche und verwitterte Kreuz auf diesem Bild ein sehr passendes Symbol. 

Was den Glauben angeht, so spricht mir ein Wort des Philosophen Arthur Schopenhauer aus der Seele: "Bei keiner Sache hat man so sehr den Kern von der Schale zu unterscheiden, wie beim Christentum.“

Das letzte Relikt (der aufmerksame Betrachter hat es gesehen) ist die Ziegelmauer. Auch sie ist in "transformatorischen Zeiten" ein Auslaufmodell.  Anstelle gebrannten Lehms treten nun Beton und Zement,  in der Herstellung weitaus weniger umwelt- und klimafreundliche Baustoffe, die wir aus Gründen der Umwelt- und Klimaverträglichkeit nun verbauen. Aber spätestens hier sind wir wieder bei "Glauben" und "Gottvertrauen"...